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Neues Projekt: „Inklusiver Kinderschutz“
Erstellt
Thema InklusionKinderschutz
von Barbara Brecht-Hadraschek
Kinderschutz ist unteilbar – dennoch erleben gerade Kinder und Jugendliche mit Behinderung häufig Grenzüberschreitungen und Gewalt. Im Rahmen unseres neuen Projektes wollen wir deshalb Kinderschutz im Kontext von Inklusion weiterentwickeln – ganz konkret für uns und unsere Einrichtungen, mit Fortbildungen für pädagogische Fachkräfte und dem Aufbau eines Netzwerks.
Autorin: Daniela Schmidt
Es begann mit der Fortbildungsplanung für das Jahr 2019, und damit bereits im ersten Halbjahr 2018. Inhaltlich sollten zwei Fortbildungen im Bereich Kinderschutz in das Programm. Aus dem Bereich Ambulante Hilfen kam der Hinweis: Kinderschutz im Kontext von Behinderung(en), das sei ein wichtiges Themenfeld, ein wenig beachtetes noch dazu.
„Es spricht ja nicht!“
Unsere weitere Recherche bestätigte dieses Bild. Kolleg*innen berichteten uns von Fällen, in denen das Jugendamt aufgrund der sprachlichen Behinderung eines Kindes dessen Gefährdung glaubte nicht einschätzen zu können – „Es spricht ja nicht!“ oder von Situationen, in denen Unsicherheit herrscht, ob Verhaltensauffälligkeiten der Behinderungsspezifik zuzuordnen sind oder für eine Gefährdung des Kindeswohls sprechen. Gleichzeitig fanden wir sehr wenige Fortbildungen und Dozent*innen, die sich diesem Themenfeld widmeten.
Kinderschutz ist unteilbar. Der Schutzauftrag des Jugendamtes und unser Auftrag als pädagogische Fachkräfte gelten für alle jungen Menschen, unabhängig von ihrer sozialen oder kulturellen Herkunft, ihrem Geschlecht, ihrer Behinderung. Sie sollen in ihren Familien und in unseren Einrichtungen sicher sein.
Dies gilt umso mehr unter den Vorzeichen der Inklusion: Die UN-Behindertenrechtskonvention fordert die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen, ob mit Behinderungen oder ohne, am gesellschaftlichen Leben. Kinder und Jugendliche sind in Regeleinrichtungen präsent. Für die Fachkräfte in den Einrichtungen erwächst durch die Inklusion die Aufgabe, sich inhaltlich auf vielfältige(re) Kinder und Jugendliche einzustellen und sich fachlich für diese Aufgabe zu qualifizieren.
Kinder und Jugendliche mit Behinderung sind besonders gefährdet
Der wirksame Schutz von behinderten Kindern und Jugendlichen ist umso wichtiger, als bei ihnen von einer höheren Verletzlichkeit auszugehen ist. Beispielsweise sind Frauen mit geistiger und/oder körperlicher Behinderung nach einer vom Bundesfamilienministerium in Auftrag gegebenen Studie zu Gewalt gegen Frauen mit Behinderung (Bielefelder Studie 2011) in ihrer Kindheit und Jugend zwei- bis dreimal so häufig Opfer sexuellen Missbrauchs durch Erwachsene geworden. Kinder mit Behinderungen erleben häufig Grenzüberschreitungen, insbesondere im Rahmen der Pflege. Unterschiede in der Art der Grenzüberschreitung zu erkennen, kann ihnen darum schwerfallen, umso mehr, wenn eine kognitive Beeinträchtigung vorliegt. Außerdem begegnen Familien mit Kindern mit Behinderung in vielerlei Hinsicht besonderen Herausforderungen und sind dadurch gefährdet, in Überlastungssituationen zu geraten.
Für uns stellten sich auf der Basis unserer Erfahrungen und Recherchen folgende Fragen:
- Wie ist unser Status quo als Trägerin der Kinder- und Jugendhilfe und der Eingliederungshilfe, welches Wissen, welche Kompetenz, welche Praxiserfahrungen sind an unseren Standorten vorhanden?
- Welche Bedarfe, Stolpersteine, Fragen sehen unsere Mitarbeiter*innen in ihrer täglichen Arbeit?
- Was brauchen wir, um Einrichtungsschutzkonzepte für unsere Einrichtungen inklusiv zu gestalten oder unsere vorhandenen Konzepte aus dem Blickwinkel der Inklusivität zu überprüfen?
- Welches Handwerkszeug können wir unseren Mitarbeiter*innen an die Hand geben?
- Wer sind mögliche Netzwerkpartner*innen?
Auf Basis dieser Fragen stellten wir einen Förderantrag bei der Werner-Coenen-Stiftung zur Stärkung von Familien und Jugendlichen. Die Werner-Coenen-Stiftung ist eine Treuhänderische Stiftung bei der Jugend- und Familienstiftung des Landes Berlin. Ihr Anliegen ist die Qualifizierung und Weiterentwicklung von Angeboten der Jugendhilfe für Kinder und Jugendliche in Berlin. Ein Schwerpunkt ist dabei die Stärkung des Schutzes vor Kindeswohlgefährdung, insbesondere Missbrauch und Misshandlung.
Unser Ziel: Kinderschutz, und zwar für alle!
Ende November wurde unser Förderantrag bewilligt, mit einem offiziellen Projektstart Anfang Februar dieses Jahres. Für ein Jahr erhält die tandem BTL eine Förderung der Stiftung, mit der Möglichkeit, in den nächsten beiden Jahren Folgeanträge zu stellen. Ziel unserer Arbeit ist die Entwicklung von Einrichtungsschutzkonzepten, die „inklusive“ Weiterarbeit am Kinderschutzkonzept der tandem BTL, die Entwicklung und Umsetzung guter Fortbildungen für unsere Kolleg*innen und der Aufbau eines Netzwerkes.
In unserer Auftaktveranstaltung am 25. März tauschten sich Geschäftsführung, Bereichs-, Abteilungs- und Einrichtungsleiter*innen und die Koordinatorinnen des Kinder- und Jugendschutzes der tandem BTL unter der fachkundigen Moderation von Sandra Mohrenweiser-Heidenreich aus, um konkrete Fragestellungen aufzunehmen und die bereichsübergreifende Zusammenarbeit zu stärken. Gleichzeitig wurde über Kriterien beraten, nach denen eine oder mehrere Einrichtungen ausgewählt werden sollen, die sich im Rahmen des Projektes bei der Er- oder Überarbeitung ihres Einrichtungsschutzkonzeptes modellhaft mit inklusiven Aspekten auseinandersetzen. Damit ist der erste Grundstein für unsere weitere Zusammenarbeit, eine erfolgreiche Projektphase und eine fachliche Weiterentwicklung unserer Trägerin gelegt.
Wir werden weiter über das Projekt berichten.
Ansprechpartnerin Inklusiver Kinderschutz bei der tandem BTL:
Bettina Sänger
030 443360-60
bettina.saenger@tandembtl.de
Dieser Artikel erschien auch in unserem tandem MAGAZIN Ausgabe 4/2019. Das ganze Heft können Sie hier kostenlos herunterladen.
Das Projekt wird von der Werner-Coenen-Stiftung gefördert. Anliegen der Werner-Coenen-Stiftung ist die Qualifizierung und Weiterentwicklung von Angeboten der Jugendhilfe für Kinder und Jugendliche in Berlin.
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