Vielfalt leben: tandem BTL schärft den Blick für geschlechtliche Vielfalt in Schule und Jugendhilfe

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von Barbara Brecht-Hadraschek

Ein Impuls-Workshop der AG Vielfalt für Pädagogische Fachkräfte

Die tandem BTL setzt sich aktiv mit dem weiten Feld der Vielfalt auseinander und bekennt sich dazu, eine Organisation zu sein, die Diskriminierung in allen Dimensionen entgegenwirkt. Als Teil dieses Engagements hat die AG Vielfalt am 7. November 2025 den Fachtag „Geschlechtliche Vielfalt, Queerness – und ich?“ veranstaltet.

Unter der Leitung von Referent Frederik Heinke erhielten pädagogische Fachkräfte aller Bereiche wertvolle Impulse, um Schule und Jugendhilfe als sichere Räume für queere junge Menschen zu gestalten und somit den gesetzlichen Auftrag der Kinder- und Jugendhilfe zu erfüllen.

Warum Geschlechtliche Vielfalt in der Pädagogik Pflicht ist

Der gesetzliche Rahmen ist klar: Das SGB VIII, § 9 Abs. 3 legt fest, dass bei der Ausgestaltung von Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe die unterschiedlichen Lebenslagen von Mädchen, Jungen sowie transidenten, nicht-binären und intergeschlechtlichen jungen Menschen zu berücksichtigen sind.

Es geht darum, Benachteiligungen abzubauen und die Gleichberechtigung der Geschlechter zu fördern. Vor diesem Hintergrund war das Ziel des Workshops, gemeinsam zu erarbeiten, was Geschlechtliche Vielfalt im pädagogischen Alltag konkret bedeutet und welche Haltungen Fachkräfte benötigen, um Kinder und Jugendliche diskriminierungssensibel zu begleiten.

Was ist Geschlecht – und was hat das mit mir zu tun?

Der Fachtag startete mit einer fundierten Auseinandersetzung über die verschiedenen Dimensionen von Geschlecht und Sexualität:

  • Biologisches, psychisches und soziales Geschlecht
  • Geschlechtsidentität und Geschlechtsausdruck
  • Sexuelle Orientierung

Im biografieorientierten Teil setzten sich die Teilnehmer*innen intensiv mit den eigenen Prägungen auseinander: Woher stammen meine Bilder von Geschlecht? Welche Erfahrungen beeinflussen meine Haltung? Wo liegen Unsicherheiten oder Schamgrenzen?

Eine Teilnehmerin fasste ihre Eindrücke zusammen: „Der Workshop hat mir aufgezeigt, wie differenziert das Thema zu sehen ist und wie wichtig es gerade am Ort Schule ist, sich mit Binarität und Non-Binarität auseinanderzusetzen, um einen guten Schutzraum für Kinder zu entwickeln – einen Raum, in dem sie angstfrei lernen können.“

Anforderungen an Pädagogische Fachkräfte

Für eine reflektierte Sexualpädagogik ist mehr als nur „Faktenwissen“ notwendig. Der Workshop identifizierte zentrale Kompetenzen für diskriminierungssensible pädagogische Arbeit:

  • Bereitschaft zur Selbstreflexion der eigenen Haltung.
  • Soziale Kompetenzen und der Aufbau einer tragfähigen Vertrauensbasis.
  • Ein breites Grundlagenwissen (biologisch, sexualwissenschaftlich, sozialpsychologisch, soziokulturell und rechtlich).
  • Bewusster Umgang mit Konflikten und Gruppenprozessen.
  • Strategien zur Prävention und zum Abbau von Diskriminierung.

Ein Schwerpunkt lag dabei auf der Frage, wie sich Abwertung, Gewalt und Diskriminierung – oft in subtilen Formen – auf die Entwicklung junger Menschen auswirken.

Schule: Ein oft noch binär organisierter Raum

Ein kritischer Blick richtete sich auf den schulischen Kontext, der in vielen Bereichen noch stark binär organisiert ist (z.B. getrennte Umkleiden, geschlechtergetrennte Toiletten, feste Geschlechtskategorien in Dokumenten).

Die Teilnehmer*innen setzten sich mit den Auswirkungen dieser Strukturen auf queere junge Menschen auseinander. Während körperliche Gewalt abnimmt, sind verbale Übergriffe, Mobbing, subtile Abwertungen und Ausgrenzungen häufige Erfahrungen. Hierbei spielt das Konzept des Minderheitenstresses eine Rolle: Wie wirken gesellschaftliche und institutionelle Diskriminierungen auf die psychische und körperliche Gesundheit von LSBTQI*-Menschen?

Diskutiert wurde zudem das „Inklusionsdreieck“ zwischen Normalisierung, Empowerment und Dekonstruktion, um flexible Strategien für einen inklusiven Alltag zu entwickeln:

  • Normalisierung: Vielfalt als Normalität sichtbar machen.
  • Empowerment: Gezielte Stärkung und Schutzräume schaffen.
  • Dekonstruktion: Starre Kategorien von „normal“ und „anders“ grundsätzlich hinterfragen.

Trans*, Inter*, Rechtliches und konkrete Unterstützung

Ein gesonderter Block widmete sich den spezifischen Themen Trans- und Intergeschlechtlichkeit, einschließlich Definitionen, möglichen Verläufen von Transitionen und den aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen. Abschließend lag der Fokus auf konkreten Unterstützungsangeboten: Welche Beratungsstellen gibt es? Wie können pädagogische Fachkräfte Kinder und Jugendliche begleiten, die sich mit ihrer geschlechtlichen Identität auseinandersetzen?

Kinderschutz und Zukunftsstrategie der tandem BTL

Für die tandem BTL ist dieser Workshop kein einmaliges Event, sondern ein wichtiger Baustein einer strategischen Organisationsentwicklung. Geschlechtliche Vielfalt wird klar als Querschnittsthema markiert – von der Kita und Schule über die Ambulanten Hilfen bis hin zu Freizeitangeboten. Franziska Hofmann, Kinderschutzbeauftragte und Mitglied der AG Vielfalt, betont die Wichtigkeit: „Für den Kinderschutz ist geschlechtliche Vielfalt ein ganz wichtiges Thema. Wir müssen das noch stärker in unsere Strukturen und unsere Praxis einbauen – der Workshop war dafür ein sehr wichtiger Input.“

Die AG Vielfalt bei tandem BTL

Die AG Vielfalt wurde 2021 ins Leben gerufen, um Diversity-Anliegen mit konkreten Maßnahmen in die Organisation zu tragen. Sie entwickelt jährlich neue Fortbildungsschwerpunkte und setzt sich neben geschlechtlicher Vielfalt auch mit anderen Dimensionen wie Antisemitismus und Rassismus auseinander. Damit stellt die tandem BTL sicher, dass Vielfalt nicht nur ein Wort bleibt, sondern aktiv und kontinuierlich gelebt wird.


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